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  • AutorenbildThomas Röhrßen

RÜCKBLICK auf das Satellitensymposium in Berlin: "Dem Fachkräftemangel entgegenwirken"


PODIUMSGÄSTE: Dr. Andreas Westerfellhaus, Ulrike Steinecke, Ben Nabert



Dem Fachkräftemangel entgegenwirken

INTERNATIONALE FACHKRÄFTE GEWINNEN UND BINDEN (Satellitensymposium auf dem Hauptstadtkongress in Berlin am Mittwoch, 14. Juni 2023 16.30 – 18.00 Uhr)


Ohne Fachkräftegewinnung aus dem Ausland wird unser Gesundheitssystem es nicht schaffen. Das ist keine neue Erkenntnis. Die Praxis ist noch eine andere: bürokratischen Hürden der Behörden, Bettensperrungen und Stationsschließungen in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen, ein Integrationsmanagement noch in den Kinderschuhen. Wir leben in der Zeit einer globalen Fachkräftekrise, aber auch in einer Zeit des Aufbruchs in der internationalen Fachkräftegewinnung, -integration und -bindung. Das Thema der Expertenrunde auf dem Hauptstadtkongress Berlin: Wo stehen Politik und Verbände? Welche Erfolgsstrategien verfolgen die Kliniken und Pflegeeinrichtungen? Was bieten die Dienstleister?


Ich bedanke mich bei meinen Podiumsgästen Dr. h.c. Andreas Westerfellhaus, Ulrike Steinecke und Ben Nabert sowie allen Teilnehmer:innen für die fundierten Beiträge, die hohe Resonanz und eine spannende Diskussion auf dem Hauptstadtkongress in Berlin.


Dr. Andreas Westerfellhaus, der als Ehrenpräsident des Deutschen Pflegerats e.V. und ehemaliger Staatssekretär schon lange für eine starke politische Interessenvertretung der Pflege steht, führte uns in seinem Impulsvortrag noch einmal klar vor Augen, dass die Probleme der Fachkräftegewinnung und -bindung lange bekannt sind und die Lösungen auch schon auf dem Tisch liegen. Jetzt fehle (nur) noch die politische Konsequenz und der Mut zum Handeln aller Beteiligter.

Hochqualifizierte Fachkräfte mit Bachelorabschluss erlebten mit der Einreise nach Deutschland erst einmal ein „Downgrading“ und erhalten einen „Defizitbescheid“. Dieses Wording beschreibe unser aktuelles Denken. Dr. Andreas Westerfellhaus: „Warum erstellen wir nicht einen Kompetenzbescheid?“

Selbstverständlich sei die internationale Fachkräftegewinnung und - bindung nur eine von mehreren Strategien im gesamten "Portfolio" zur Überwindung des Fachkräftemangels.


Ulrike Steinecke (Steinecke-Westerfellhaus GmbH) zeigte als erfahrene Bildungsmanagerin auf, welche Bildungsstrategien in der Verzahnung von Sprachausbildung, fachlicher Praxisanleitung, Onboarding und Teamintegration erfolgversprechend seien. Ihre Ausführungen zu diesem Thema zeigten, dass hier bereits gute Innovationen vorliegen und die Ansätze ständig praxisnah weiterentwickelt werden.


Ulrike Steinecke richtete den Blickwinkel auch auf andere Gesundheitsberufe wie Physiotherapeut:innen, ATA‘s und OTA‘s.


Ben Nabert von TRUECARE beschrieb aus der Sicht eines führenden Unternehmens in der Gewinnung internationaler Fachkräfte im Gesundheitsbereich worauf sich der Standort Deutschland im Wettbewerb mit anderen Ländern einstellen müsste, was internationale Fachkräfte erwarten und wie wir sie ansprechen, abholen und integrieren müssten.

Ben Nabert betonte, dass sich die Personal- und Integrationsunternehmen wie auch die Kliniken und Pflegeeinrichtungen ganz stark am Faktor „nachhaltige Bindungsfähigkeit“ ausrichten und dabei auch den Familiennachzug unterstützen müssten.



In der Diskussion wurde auch das „Gütesiegel faire Anwerbung Pflege“ thematisiert. Einhellige Meinung auf dem Podium: die Einführung dieses Gütesiegels in Deutschland war ein ganz wichtiger Schritt, um „schwarzen Schafen“ unseriöse Geschäftspraktiken deutlich zu erschweren. Aber das Gütesiegel müsse nun kontinuierlich weiter entwickelt werden!


Teilnehmerbeiträge richteten sich u.a. auch auf die Symbolpolitik und mediale Inszenierung von Fachkräfteakquisitionen im Ausland, wie sie jüngst Arbeitsminister Hubertus Heil und Aussenministerin Annalena Baerbock in Brasilien zeigten. Aus der Diskussion wurde klar, dass wir vor allem eine Menge Hausaufgaben in unserem eigenen Land selbst machen müssten, um optimale Bedingungen für ausländische und deutsche Pflegefachkräfte zu schaffen. Dazu gehörten in erster Linie die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Pflege insgesamt sowie mit Blick auf die Integration ausländischer Fachkräfte die Veränderung von negativen Grundhaltungen und den Abbau von bürokratischen Hürden.


Leider träten im politischen Diskurs immer noch ideologische Vorbehalte zur Fachkräftegewinnung auf, etwa Hinweise auf eine mögliche Destabilisierung des Gesundheitswesens von Drittländern, die unter dem Begriff "Brain Drain" (übersetzt etwa "Abfluss von Intelligenz") thematisiert werden. Hier müsse klar gestellt werden, dass diese Gefahr in der internationalen Personalrekrutierung von Pflegefachkräften orientiert an den Rekrutierungsrichtlinien der Weltgesundheitsorganisation (WHO-White-List) nicht zuträfe. Innerhalb eines ethischen Diskurses zur globalen Arbeitsmigration müsse auch beachtet werden, dass Arbeitsmigration ein Menschenrecht sei und wir einer ausländische Pflegefachkraft unter diesem Aspekt den legalen Zugang in unsere Arbeitswelt nicht versperren dürften.


Auf die Frage, ob innerhalb unseres föderalen Systems unter dem Druck des Fachkräftemangels vielleicht doch bald ein vereinheitlichtes und schnelleres Verfahren für die Anerkennung von internationalen Pflegefachkräften umgesetzt werden könnte, antwortete der (in eigenen Worten) "Optimist" Dr. Westerfellhaus doch eher pessimistisch.


Ulrike Steinecke und Ben Nabert zeigten auf, wie durch eine frühzeitige Integrationsarbeit ein optimaler Übergang und eine längerfristige Bindungsfähigkeit unterstützt werden können. Dies beinhalte über die Sprachkurse und die Vorbereitung auf die Anerkennungsprüfung hinaus einerseits spezialisierte Vorbereitungsmaßnahmen bereits im Herkunftsland zum Erlernen unserer speziellen Pflegesprache ("Pflegedeutsch"), unserer Pflegephilosophie und -kultur sowie der klinischen und pflegerischen Abläufe in unseren Kliniken und Altenpflegeeinrichtungen wie es etwa TRUECARE mit der Truecare International Healthcare Academy (TIHA) anbietet. Ben Nabert erklärte, dass durch die Schließung dieser Lücke zwischen erfolgreich absolviertem Sprachkurs und Wartezeit auf Einreise eine "geschlossene Bildungskette" zur Sicherung der Lernkontinuität und der Lernerfolge angeboten werden könne. Ulrike Steinecke zeigte dann anhand sogenannter Anpassungsmaßnahmen auf, wie direkt nach der Einreise dann die sprachlichen und fachlichen Kompetenzen sowie das fachliche Onboarding und die Teamintegration vor Ort weiter unterstützt werden können.


Uns allen ist vermutlich klar: der Fachkräftemangel ist keine akute "Mangelerscheinung", sondern eine tiefgreifende globale Fachkräftekrise der demographisch betroffenen Industrieländer, die uns noch lange beschäftigen wird.



Thomas Röhrßen

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