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Bindung oder was unsere Unternehmenswelt im Innersten zusammenhält!

Autorenbild: Thomas RöhrßenThomas Röhrßen

(Foto: Adobe Stock Ki-generiert)



Ein Beitrag von Thomas Röhrßen


Bindung ist und bleibt der „Klebstoff“, der Unternehmen im Innersten zusammenhält. Dafür stehen vor allem bindungssensible Führungskräfte, die als zentrale Vertrauenspersonen, Netzwerker und Bindungsfiguren im Unternehmen qualifizierte Fachkräfte „magnetisch“ anziehen, emotional gewinnen und halten können sowie in ihrem fachlichen und persönlichen Wachstum fördern. Die wissenschaftliche Psychologie brauchte lange bis sie die große Bedeutung der Bindung zwischen Menschen jenseits der Freudschen Triebtheorie entdeckte und auch in der Führungspsychologie ist die Kraft der menschlichen Bindung erst spät erkannt worden.


Ende der 1960er Jahre entwickelte der britische Psychologe John Bowlby aus der systematischen Beobachtung von frühkindlichen Interaktionen mit den primären Bezugspersonen seine Bindungstheorie. Bowlby war der erste, der ein unabhängiges, angeborenes und lebenslanges Bedürfnis nach Bindung postulierte. Dieses Bedürfnis treibt uns Menschen immer wieder an, die physische und psychische Nähe zu „unseren“ Bezugs- und Vertrauenspersonen zu suchen. Bowlby konnte aufzeigen, dass wir aus unseren frühkindlichen Bindungserfahrungen „innere Arbeitsmodelle in Beziehungen“ entwickeln. Diese prägen unser Erleben, Empfinden und Verhalten in Beziehungen. Das sind unsere Bindungsmuster von Anfang an, ein Leben lang.



An eine zentrale Bezugs- und Vertrauensperson knüpfen wir Erwartungen wie Zuwendung, Sicherheit, Schutz, Empathie, Verständnis, Bestätigung, Fürsorge, Trost, Hilfe, Unterstützung, Förderung und vieles mehr.




Aus der Verfügbarkeit, Verlässlichkeit und Sicherheit einer Beziehung wächst Vertrauen. Dieser vertrauensbildende Prozess ist neurobiologisch nachweisbar anhand der Ausschüttung spezieller Hormone wie etwa des Bindungshormons Oxytocin und des Selbstberuhigungshormons Serotonin. Oxytocin hat wichtige Nebeneffekte: es reduziert die Ausschüttung von Stresshormonen und vermindert das Schmerzempfinden. In einschlägigen Studien konnte nachgewiesen werden, dass Versuchspersonen, denen Oxytocin verabreicht wurde, mehr Vertrauen in andere Menschen aufbauen bzw. eine höhere Bereitschaft entwickeln, soziale Risiken einzugehen.


Wer glaubt, diese universelle Suche nach Bindung, Sicherheit und Vertrauen endet auf der täglichen Fahrt zum Arbeitsplatz, der irrt natürlich. Und dies gilt nicht nur für Kunden- und Patientenbindungen, sondern insbesondere auch für die Bindung von Mitarbeitenden. Die Qualität, Leistung, Zufriedenheit und Gesundheit in der Arbeit sowie die Verweildauer im Unternehmen hängen entscheidend von Bindung ab. In Zeiten des globalen Fachkräftemangels ist Bindung sogar zu einem strategischen Erfolgsfaktor von Unternehmen geworden. Und Bindung spielt bei der Gewinnung und Integration internationaler Fachkräfte noch einmal eine ganz besondere Bedeutung.


Wir haben "Nachholbedarf in Bindung" in deutschen Unternehmen!



Die neuste Studie "Gallup Engagement Index Deutschland 2023" gibt Grund zur Sorge:


"Die Zahl der Mitarbeitenden ohne emotionale Bindung in Deutschland ist auf dem höchsten Stand seit 2012. (...)

Fast ein Fünftel der deutschen Beschäftigten ist emotional nicht gebunden, was die deutsche Wirtschaft zwischen 132,6 und 167,2 Milliarden Euro an Produktivitätsverlusten kostet. Fast die Hälfte – 45 % – der deutschen Arbeitnehmenden ist entweder aktiv auf der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz oder offen für neue Herausforderungen."



Der entscheidende Erfolgsfaktor für die Entwicklung und Erhaltung von Bindung heißt transformationale Führung. Das lateinische „transfomare“ steht für "umformen" und "verwandeln". Entsprechend konzentrieren sich transformationale Führungskräfte auf die innere Entwicklung von Menschen in ihren Werten, Einstellungen, Haltungen und Fähigkeiten, nicht auf ihr Verhalten. Es geht um persönliches Wachstum in einer vertrauensvollen und förderlichen Beziehung. In zahlreichen Studien konnte der positive Einfluss des transformationalen Führungsstils auf die Arbeitszufriedenheit und Leistung nachgewiesen werden.


Transformationale Führung heißt nicht "Leadership by Kuschelkurs". Bindung ist nicht immer schmerzfrei und bei aller Nähe darf es auch unbequem werden. Wem es gelingt, notwendige Kritik, Konfrontation und Konflikte bei Aufrechterhaltung von Bindung und Vertrauen offen auszudrücken, der hat emotionale Führung verstanden. Dem gelingt es, Mitarbeitende aus ihrer Komfortzone herauszuholen. Dabei gilt es unnötige Kränkungen und Vertrauensprobleme zu vermeiden oder wenigstens zu reduzieren, denn diese „Störungen“ verschieben das Problem auf die falsche Ebene. Es gibt aber leider immer noch zu viele Führungskräfte, die bei Auftreten von Konflikten und Spannungen entweder sparsam und wenig bindungssensibel kommunizieren oder erst einmal in eine maximale Distanz gehen. Sie schalten auf kühle bis eiskalte Abgrenzung, statt gerade jetzt das Vertrauen und die Nähe „bei aller Kritik“ zu stärken. Mit Führung auf Distanz setzen sie somit Bindung aufs Spiel und wundern sich, wenn ihre Mitarbeitenden sich plötzlich innerlich von ihnen abwenden.


Ich wünsche Ihnen für das Neue Jahr 2025, dass es Ihnen gelingt, das Vertrauen wichtiger Menschen weiter zu erhalten oder neu zu gewinnen. Daraus können zuverlässige und langfristige Bindungen entstehen, die auch Ihren Erfolg und Ihre Zukunft sichern.



Ihr


Thomas Röhrßen






Thomas Röhrßen ist Dipl.- Psychologe, Managementcoach und Unternehmensberater.

Er führt seit 30 Jahren Projekte zur Strategie- und Strukturentwicklung sowie zur Personalentwicklung und Führungsqualifizierung in Unternehmen unterschiedlicher Branchen durch.

Die Beziehungsarbeit und Bindungsfähigkeit von Führungskräften sieht der als Schlüsselkompetenz von Führungskräften sowie als zentrale Dimension in dem von ihm entwickelten LEADERSHIP PERFORMANCE NAVIGATOR.




Der LEADERSHIP PERFORMANCE NAVIGATOR wird vorstellt in:

1) Röhrßen/ Stephan: Leadership Performance Krankenhaus - Die Praxis der Führung für Ärztinnen und Ärzte (Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft: Berlin 2021)


2) Röhrßen/ Oldhafer: Leadership Pflege - Evidenzbasierte Führung in der Praxis (Kohlhammer Verlag: Stuttgart 2025)




### LESETIPP 2025 ###


Im Frühjahr werden mehrere Bücher/ Beiträge von mir im Kohlhammer Verlag/ Stuttgart veröffentlicht.




















Meine Beiträge in dem neuen Werk: NEW WORK- Neue Wege im Krankenhaus


1) NEUROLEADERSHIP - Sich selbst und andere gehirngerecht führen.


2) TEAMPROZESSPERFORMANCE in OP, Endoskopie und Herzkatheterlabor.


3) WATERFALL-PERSONALEINSATZ UND HUDDLES in der Notaufnahme   (zusammen mit Prof. Dr. Thomas Fleischmann)

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